Geht das? Ja, das geht. Und zwar im doppelten Sinne.
Ich bin so einer. Oder doch auch wiederum nicht. Die Rechtslage ist kompliziert und die Paragrafen muss man auch erst einmal aus den Archiven der Gesetzbücher ausgraben.
De lege ferenda vor einer Minireform der StPO einerseits. Und andererseits heute auf der Gegenfahrbahn als Rechtsanwalt, einem Organ der Rechtspflege.
Also gab es da einen Paragrafen 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes, der seit 1877 bis vor wenigen Jahren wilhelminisch-preußisch lautete: „Polizeivollzugsbeamte sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft“. Daran und an der damit verbundenen Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft nach § 160, 161 StPO hat sich bis heute nichts geändert. Außer in Zeiten politisch-korrekter Hysterie: Der Hilfsbeamte ist zur Ermittlungsperson mutiert und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Balsam für die Befindlichkeit der Polizei und zugleich dem Gender Mainstreaming im vorauseilenden Gehorsam gezollt: Der Gesetzestext wurde – wie an vielen Stellen des Landesrechts – unter Vermeidung der „Hilfsbeamtinnen und Hilfsbeamten“ jetzt seit dem 1.9.2004 schlicht: Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Wie überhaupt der Gender Mainstreaming in der Gesetzgebungstechnik seltsame Blüten treibt. Denn nie las ich in einem Polizeibericht, einer WE-Meldung [1] oder Lage etwas von der unbekannten Täterin. Wohin gegen der „Unbekannte Täter“ Standard ist. Jedoch genderneutral zu formulieren „der oder die unbekannten Täter oder unbekannte Täterin“ hat dies oder jenes an Spuren hinterlassen, das war denn selbst der politisch stets korrekten Polizei zu viel. Es sei denn, auch hier übernehmen die Frauen ganz das Kommando und halten sich unbekannte Täter auf Armlänge vom Leibe, wie das in der Silvesternacht nachträglich empfohlen wurde. Denn wenn man vom Rathaus kommt, ist man eben meist schlauer. Aber das ist eine andere Geschichte.
Nur in der Kriminalistik ist es seit Kaiser Olims Zeiten immer noch so, dass nach dem sogenannten UT, also dem oder den unbekannten Tätern gefahndet wird, nie nach den unbekannten Täterinnen. Honi soit qui mal y pense.
Faktisch hat sich nichts geändert. Auch die Sachleitungsbefugnis ist zu Recht geblieben, wohl aber ist die Frage der Weisungsbefugnis noch ungeklärt. Zuviel der Erbsenzählerei? Mitnichten. Denn es geht weiter: Im Absatz 2 des zitierten Paragrafen 152 Gerichtsverfassungsgesetz werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnungen diejenigen Beamtengruppen zu bezeichnen, auf die diese Vorschrift anwendbar ist.
Deshalb aber für meinen Fall die eingangs zitierte Einschränkung „Hilfsbeamter…oder doch auch wiederum nicht.“
Denn ab einem bestimmten Rang in der Hierarchie der Polizei wäre es dann doch zu viel der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis gewesen. Und das ist dann in einer Rechtsverordnung geregelt, dass der sog. Erste Hauptkommissar nicht mehr Hilfsbeamter ist und dementsprechend auch nicht mehr weisungsunterworfen. Und schon gar nicht die goldenen Dienstgrade, auch Goldfasane genannt, darüber. Golden wegen der Sterne auf den Epauletten.
Alles Theorie? Mitnichten.
In wie vielen Tatort- und Krimiserien des Fernsehens erscheint am Tatort die forsche Staatsanwältin oder der souveräne Oberstaatsanwalt, der den Ermittlern sagt, wo es langgeht.
Und wie ist das wirklich? Diese Frage habe ich für mich jedenfalls ziemlich einfach aber auch nachhaltig beantwortet. Nämlich mit der Frage nach der Verantwortung am Einsatzort oder Tatort. Schnell waren dann die Befehlsstrukturen geklärt. Einfacher ausgedrückt: Wer die Verantwortung trägt, muss auch das Sagen haben.
Mit der Staatsanwaltschaft klappte das ganz vorzüglich. Keineswegs jedoch immer in der Binnenhierarchie der Polizei. Denn selbst in hohen Leitungsfunktionen gibt es zumeist immer noch einen oder eine Vorgesetzte, zumindest aber die Behördenleitung. Und letztere ist mitnichten stets vom Fach. Ich hatte es mit Behördenleiterinnen zu tun, die etwas von der Wasserhaushaltswirtschaft verstanden, weil sie dort nämlich eine Beamtenkarriere gemacht hatten. Versteht sich, diesen Sarkasmus möge man mir nachsehen, dass die dann etwas zu einer Wasserleiche anordnen kann, nicht aber wie und nach welcher Risikoanalyse man einen Verdeckten Ermittler einsetzt oder – noch riskanter – abschaltet.
Ja, damit sind wir beim Abschalten einer V-Person. Aber der Reihe nach. Zuerst die Essentials.
Dieses hochbrisante Instrument ist sinnigerweise öffentlich bekannt gemacht in § 110 a der Strafprozessordnung. Der darf zur Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung eingesetzt werden und darf unter Verwendung ihrer Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. Und das darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrecht herbeigeführt werden.
So genau nimmt man das nach der deutschen Strafprozessordnung. Protagonisten nationaler und internationaler Kriminal- oder Agentenfilme hätten sich also einem Bond-Girl erst einmal zu outen, bevor sie dann vom bösen Widersacher achtkantig hoffentlich auf das Dach der Luxuskarosse befördert würden.
Aber genau das ist mit der doch etwas spröden Formulierung in dem § 110 c der Strafprozessordnung gemeint.
Und dann sind wir dem Kern des Problems und bei meinen Mandanten - jetzt auf der Gegenfahrbahn. Der oder die haben das nämlich versäumt. Hat sich vielmehr das Vertrauen in der Szene der organisierten Schwerkriminalität erschlichen. Anfangs durch unbedeutende Nützlichkeiten. Hat mitmachen müssen um nicht aufzufallen. Wurde langsam in die faszinoide Halbwelt hineingezogen und konnte eine Zeit lang seiner Dienststelle brauchbare Informationen liefern.
Dazu demnächst mehr in diesem Theater.
Fußnote [1] Meldung über ein wichtiges Ereignis an das Lagezentrum der Polizei im Innenministerium.
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